Foto: Alexander Paul Englert

Ein Literaturfestival zur Schönheit kommt einem Bekenntnis gleich. Zu ihr als dem Kostbaren, dem Lichten, das anzieht, bezaubert und in höhere Sphären hebt, das sich entzieht und doch entdeckt werden will. „Wie schön!“, so ein Ausruf, der in freier Natur genauso wie vor einem Landschaftsgemälde von Caspar David Friedrich ertönt. Sehnsuchtsmomente, die der Markt mit Kosmetik, Design oder Reisen bedient. „La beauté n‘est que la promesse du bonheur“, schreibt Stendhal – die Schönheit als Versprechen des Glücks. Noch dem Abgesang – „Auch um des Schönen willen ist kein Schönes mehr: weil es keines mehr ist“, so Adorno – folgten Epiphanien des Schönen in Kunst, Literatur und Musik, die seine Entthronung glanzvoll widerlegen. Anders gesagt, die Idee der Schönheit bleibt unvergänglich, gerade im Wunsch sie zu begreifen.

Bei literaTurm 2024 folgen wir der Schönheit schweifend. Wir finden sie, wo wir sie nicht vermutet haben und umgehen sie, wo sie uns ins Auge springt. Die Programmauswahl war eine stete Annäherung, getragen von der Idee, dass sich das Schöne auch dort zeigt, wo es nicht intendiert ist. Kein guter Text reklamiert von sich, ein schöner zu sein, selbst wenn er genau dies ist. Worin aber liegt die genuine Schönheit der Wortkunst? In dem Zusammenklang aus Rhythmus, Stimmung, Form und Bildern oder gar in dem Riss im Gewebe? Kant verortet es nicht im Objekt, sondern in seiner Wirkung, dem ästhetischen Wohlgefallen, das dem freien Zusammenspiel der menschlichen Vermögen folgt. Der kurze Sinnenreiz ist flüchtig, das Schöne hingegen entsteht, wo Erkenntnis und Einbildungskraft einen leichtfüßigen Pas de deux tanzen.

Unter dem Motto ON BEAUTY misst literaTurm das Diskursfeld rund um die Schönheit aus. Zum Kant-Jubiläum diskutieren wir die Schönheit der Vernunft. Wir feiern den 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich und fragen anlässlich des 100. Todestages von Franz Kafka nach dessen Aktualität. Der ästhetische Wert von Artefakten der Alltagskultur, von der Porzellantasse bis zur Mode, ist ebenso Thema wie die optimierte Beauty in Social Media und Werbung. Wir nehmen die Popliteratur nach der Popliteratur in den Blick und erkunden stilistische Eleganz in Feuilleton und Wissenschaft. Mit der Cuteness verhandeln wir eine Ästhetik der Gegenwart. Wir folgen den literarischen Spuren des Naturschönen in den Alpen, stellen Künstlerromane vor und fragen mit Zsuzsa Bánk und Marica Bodrožić zwei Schriftstellerinnen, was schönes Schreiben für sie bedeutet. Zwei hinreißende Debütromane haben wir ebenfalls im Programm. Dies alles in exquisiten Räumen, zu denen die oberen Etagen in Frankfurts Hochhäusern mit ihrem Blick ins Weite unbedingt gehören. Dort findet sie ihren Platz – die Schönheit als Ereignis.

Dr. Sonja Vandenrath
Programmleitung

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